Ermäßigter Steuersatz bei Abfindungen in zwei Raten
Abfindungen in zwei Raten zahlen – ist das steuerlich günstig? Das kann schon sein – wenn man die Bedingungen beachtet.
Die Besteuerung der Abfindung mit dem ermäßigten Steuersatz („Fünftelregelung“) bei Abfindungen in zwei Raten ist möglich.
Aus unterschiedlichen Gründen kalkulieren vor allem Abfindungsempfänger immer mal wieder, ob es nicht steuerlich günstiger ist, eine Abfindung in zwei oder mehr Raten auszahlen zu lassen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, damit eine Steuerermäßigung nach der Fünftelregelung nicht verloren geht.
Denn wenn eine Abfindung den Steuerpflichtigen in mehreren Teilbeträge in unterschiedlichen Kalenderjahren zufließt, so ist das grundsätzlich schädlich für die Anwendung der Fünftelregelung. Das entschied der BFH am 03.07.2002 und wird in der „1. Prüfung“ berücksichtigt (wie sie auch im Abfindungsrechner von abfindunginfo.de vorgenommen wird).
Leider wird auch im Internet oft der Eindruck erweckt, als würde eine Abfindung immer nach der Fünftelregelung ermäßigt – das stimmt so nicht!
Geringfügige Teilleistung in anderem Kalenderjahr ist möglich
Eine den ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG rechtfertigende Zusammenballung von Einkünften kommt auch dann in Betracht, wenn zu einer Hauptleistung einer Abfindung eine in einem anderen Veranlagungszeitraum zufließende minimale Teilleistung („Abfindungen in zwei Raten“) hinzukommt.
Ansonsten würden über den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 1 EStG hinaus die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärft und die ratio legis verfehlt (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 25.8.2009, IX R 11/09).
In dem Sinne hat das FG Köln am 09.03.2010 eine Teilleistung von 5 % als unschädlich anerkannt.
Demgegenüber wurde eine Steuerermäßigung nach der Fünftelregelung vom FG Rheinland-Pfalz am 24.1.2013 als schädlich gewertet, weil eine in Höhe von ca. 12,5 % der Gesamtleistung in einem anderen Jahr gezahlt wurde.
BFH konkretisiert „geringfügige Nebenleistung“ für Abfindungen in zwei Raten
Die Kriterien dafür, was eine minimale Teilleistung ist, hat der BFH mit dem Urteil vom 13.10.2015 konkretisiert:
Nach diesem Urteil ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, wenn sich die Teilleistung eindeutig als geringfügige Nebenleistung einer Hauptleistung darstellt.
Dafür enthält das Urteil zwei Kriterien, die sich aus folgenden Leitsätzen ergeben:
- Die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Teilbeträgen steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausnahmsweise nicht entgegen, wenn sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und wenn die Nebenleistung geringfügig ist.
- Eine Nebenleistung kann unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Steuerbelastung als geringfügig anzusehen sein, wenn sie niedriger ist als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung.
Dieser Maßstab der Steuerentlastung ist gleichermaßen heranzuziehen, um eine Geringfügigkeit festzustellen. Denn mit der Teilauszahlung (vor Steuern) würde noch nicht einmal der Nachteil der vollen Besteuerung ausgeglichen. Steuerpflichtigen würde so die Tarifermäßigung nach der Fünftelregelung versagt. Sie ständen besser da, wenn sie die Teilleistung nicht erhalten hätten. Mit dem Gesetz soll jedoch der ermäßigte Steuersatz zur Abmilderung der Progressionssteigerung geboten sein.
Wer sich also die Abfindung in zwei Raten auszahlen lassen will, sollte diese beiden Kriterien kennen. Nur so können sie sich gegen eine zu hohe Steuerbelastung wehren.
Quelle: BFH, Urteil vom 13.10.2015, IX R 46/14
Besteuerung der Abfindung mit dem ermäßigten Steuersatz („Fünftelregelung“) bei planwidrigem Zufluss in mehreren Kalenderjahren
Wenn sich „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ vor Gericht über die Höhe der Entschädigung streiten, kann es vorkommen, dass der „Arbeitgeber“ im Jahr des Ausscheidens nur soviel Abfindung auszahlt, wie er zunächst zugestehen will. Eventuell erst Jahre später wird dann auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung oder eines Vergleichs eine weitere Zahlung folgen. Steuerlich handelt es sich in dem Fall um einen „planwidrigen Zufluss in mehreren Veranlagungszeiträumen“.
Steuerpflichtige können daraufhin beantragen, den später zugeflossenen Teil der Abfindung („Korrekturbetrag“) in das Kalenderjahr („Veranlagungszeitraum“) zurück zu beziehen, in dem die – grundsätzlich begünstigte – Hauptentschädigung zugeflossen ist.
Stimmt das Finanzamt diesem Antrag auf eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung in zwei Raten gem. § 163 AO zu, ist der Steuerbescheid für das erste Auszahlungsjahr nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern, wobei die begünstigte Besteuerung (nach der Fünftelregelung) auf die gesamte Abfindung (Hauptentschädigung zzgl. Korrekturbetrag) anzuwenden ist.
Achtung Falle: Ohne Antrag keine Steuerermäßigung
Wird der Antrag nicht gestellt und ist die Steuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum, in dem die Nachzahlung erfolgte, bereits bestandskräftig, so ist der Bescheid für das Jahr der ersten Zahlung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern und die begünstigte Steuerberechnung wegen fehlender Zusammenballung zu versagen.
Quelle: BMF-Schreiben vom 01.11.2013
Vgl.: BMF-Urteil vom 06.12.2021, IX R 10/21
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